Vorteile von Holz nutzen

Land Berlin will Nachfrage nach Baustoff Holz deutlich steigern und ihn bei öffentlichen Bauvorhaben verstärkt einsetzen

„Eine vierstöckige Rohbaukonstruktion aus Holz verbraucht weniger als die Hälfte an Primärenergie als eine herkömmliche Konstruktion aus Stahlbeton. Zudem weist Holz weitere große Vorteile auf wie schnelle Bauausführung, angenehmes Innen­raumklima, größere Wohnflächen. Diese Vorteile gilt es auch in Berlin konsequent zu nutzen!“

Staatssekretär Stefan Tidow

Um die Nachfrage nach dem ressourcenschonenden und klimaverträglichen Baustoff Holz deutlich zu steigern und diesen nachwachsenden Baustoff insbesondere bei öffentlichen Bauvorhaben verstärkt einzusetzen, hatten die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und der Gesamtverband Deutscher Holzhandel e. V. (GD Holz) nach Berlin geladen. Am 8. September 2017 trafen sich Expert(inn)en und Interessierte aus Verwaltung sowie von Unternehmen, Verbänden und Planern / Architekten zum Fachdialog „Nachhaltiger Holzbau in Berlin und Brandenburg“

„Das Land Berlin strebt an, die nachhaltige Beschaffung von Produkten sukzessive weiter auszubauen. Berlin soll zur Modellstadt für eine nachhaltige Beschaffung werden“, eröffnete Stefan Tidow, Staatssekretär der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin, die Veranstaltung. Als Motiv nannte er den Klimaschutz: Bei einer konsequenten umweltverträglichen Beschaffung der öffentlichen Hand könnten rund 50 Prozent an schädlichen Klimagasen vermieden werden. Speziell im Bauwesen seien große Einsparpotentiale möglich. Deshalb  strebe man erstens an, dass zukünftig größere öffentliche Gebäude in Berlin nur noch nach dem Bewertungssystem „Nachhaltiges Bauen“ des Bundes errichtet werden und zumindest den „Silbernen Standard“ erreichen. Zweitens „beabsichtigen wir festzuschreiben, dass bei baulichen Wettbewerben von öffentlichen Gebäuden der Baustoff Holz für Baukonstruktionen und tragende Bauteile honoriert wird, sofern das Bauholz „aus nachhaltiger und legaler Waldwirtschaft stammt und dies durch entsprechende FSC-/PEFC-Holzzertifikate vom endverarbeitenden Betrieb nachgewiesen wird“. 

Vier renommierte Experten für das mehrgeschossige Bauen mit Holz gingen im weiteren Verlauf der Fachveranstaltung auf die Chancen aber auch Herausforderungen der Berliner Zielsetzung ein, die aktuell durch einen gleichgerichteten Beschluss der Bundesumweltministerkonferenz vom Mai 2017 weiteren Auftrieb erfährt.

Als einer der Pioniere des mehrgeschossigen Holzbaus in Deutschland gewährte Architekt Tom Kaden, Geschäftsführer der Kaden und Lager GmbH, faszinierende Einblicke in die Holzbaupraxis. Angefangen bei der ersten siebengeschossigen Holzkonstruktion in einer europäischen Großstadt, dem Wohnhaus in der Berliner Esmarchstraße 3 (2008), lieferte er zahlreiche Belege für die Vereinbarkeit von Ökologie, Funktionalität und Ästhetik in der Innenstadtverdichtung. Für die nahe Zukunft kündigte er den Bau eines „ersten wirklichen Holzhochhauses in Deutschland“ an, eines Zehngeschossers im Heilbronner Neckarbogen. Das Besondere sei nicht nur die Höhe, sondern auch der Umstand, dass sich eine Wohnungsbaugesellschaft für Holz entschieden habe und damit das Tor für normalen Mietwohnungsbau aufstoße.

Gefragt nach den Kosten eines mehrgeschossigen Holzneubaus im Vergleich zu einer konventionellen Konstruktion machte Kaden folgende Rechnung auf: „Das Bauen mit Holz ist kostenneutral oder allenfalls fünf Prozent teurer. Hält man aber die kürzere Bauzeit – sechs bis neun Monate schneller – und die größere Wohnfläche zugute, erweist sich Holz als die günstigere Alternative.“

„Der Holzbau und das Bauordnungsrecht – in Stein gemeißelte Realität?“ titelte der Vortrag von Prof. Dipl.-Ing. Architekt Ludger Dederich von der Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg. Der frühere Leiter des INFORMATIONSDIENST HOLZ zeigte prägnant auf, wie sehr eine Anpassung der Musterbauordnung im Interesse des nachhaltigen Bauens mit Holz Not tut. Denn bis heute sei es allein in Hamburg und Baden-Württemberg aufgrund der dort geänderten Bauordnungen möglich, einen mehrgeschossigen Holzbau innerhalb des Baurechts zu realisieren. Vor diesem Hintergrund hält er für unbedingt geboten, auch in Berlin die Praxis der Sondergenehmigungen insbesondere aufgrund veralteter Brandschutz­bestimmungen zu beenden und das Recht entsprechend zu modernisieren. Nur so könne der Holzbau zum Normalfall werden. Im Interesse einer zukünftigen Holzbauroutine plädierte er: „Mit der Novellierung des Baurechts muss eine Stärkung der Holzkompetenz der öffentlichen Akteure einhergehen.“

Speziell auf den Brandschutz ging Dipl.-Ing. Reinhard Eberl-Pacan ein, den die Moderatorin Dr. Katharina Gamillscheg, Stellvertretende Geschäftsführerin des GD HOLZ, augenzwinkernd als „den Brandschutzpabst“ vorstellte. Eberl-Pacan dokumentierte anhand zahlreicher Gutachten seines Architektur- und Ingenieurbüros, welche Vorteile ganzheitliche Brandschutzkonzepte für mehrgeschossige Holzgebäude haben. „Wir gehen auf eine neue Zeit zu“, sagte der Experte und meinte damit das Holzbauzeitalter. So wie sich damals mit Le Corbusier das Know-how für den Betonbau erst verbreiten musste, müsse heute der Einsatz von „Holz als Baustoff unserer Zeit“ akzeptiert und gelernt werden. Aus seiner Sicht stellt der urbane Holzbau eine Brücke für eine zukunftsweisende Bauweise dar.

So überzeugend Eberl-Pacan auch darlegte, dass „Holz zwar brennt – aber kalkulierbar und damit sicher“, so überraschend kam doch für manchen der Zuhörer folgende Forderung: „Es müsste verboten werden, Schulen aus einem anderen Material als Holz zu bauen.“ Wenn Eltern ihre Kinder einer Schule aus dem nachwachsenden Baustoff Holz anvertrauen, sei dies die höchste Anerkennung für den Holzbau. Eberl-Pacan lobte damit auch indirekt ein großes Holz-Bauvorhaben in Berlin-Marzahn, wo in den nächsten zwei Jahren eine neue Schule entsteht (Investitionssumme: 30 Mio. Euro). Aufgrund der großen Vorteile des Baustoffes Holz, darunter die schnelle, qualitätsgesicherte Bauausführung, soll es ein Vorbild für viele weitere Berliner Schulneubauten abgeben (zwei weitere wurden bereits beschlossen).

Einem konkreten Baubeispiel widmete sich Jost Börger, Vertriebsleiter der EGGER Buildings Products GmbH. Er zeichnete die Schritte zur Errichtung des EGGER-Stammhauses in St. Johann (Tirol) nach und erläuterte, wie der Architekt Bruno Moser – ausgehend vom Bau eines Verwaltungsgebäudes am Standort Radauti in Rumänien – ein kopierbares Modulsystem konzipierte, das auch beim viergeschossigen Holzrahmenbau in St. Johann realisiert wurde.

In unserer Hauptverwaltung mit Büros für 250 Mitarbeiter und dem integrierten Betriebsrestaurant stecken 3.115 Kubikmeter zertifiziertes Holz. Dies wächst in lediglich 14 Minuten im deutschen Wald wieder nach“, zeigte Börger exemplarisch die einzigartigen Energie- und Umweltvorteile des Bauens mit Holz auf. Damit der Holzbau auf breiter Front seinen Durchbruch erleben kann, mahnte er mehr Standardisierung und Automation in den Vorfertigungsabläufen an – insbesondere im handwerklichen Holzbau.

In Ihrem Schlusswort zog Dr. Katharina Gamillscheg ein erfolgreiches Fazit des vom Auditorium rege genutzten Fachdialogs, der schon im Vorfeld auf eine Nachfrage deutlich jenseits der 120 Teilnehmerplätze gestoßen war. Holz sei in den Vorträgen als ökologischer Hoffnungsträger im urbanen Bauwesen bestätigt worden – und zwar als Multitalent auf breiter Front, nicht wie lange Zeit nur als Exot für einzelne Leuchtturmprojekte. „Der Holzfachhandel steht für diese positive Entwicklung als verlässlicher Partner zur Verfügung“, versicherte Dr. Gamillscheg.

Die Senatsumweltverwaltung und der GD Holz planen nun, den entwickelten Schwung der Tagung zu nutzen und im 1. Halbjahr 2018 eine Fortsetzung des konstruktiven Austauschs in größerem Rahmen zu organisieren.

Fotonachweis: KOLLAXO Markt und Medien GmbH

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